Messbarkeit statt Floskeln: SAFA-Leitlinien
SAFA-Leitlinien – Grundlage der Nachhaltigkeitsbewertung bei Biomare
SAFA steht für „Sustainability Assessment of Food and Agriculture Systems“ oder Nachhaltigkeitsbewertung von Agrar- und Lebensmittelsystemen.
Die SAFA-Richtlinien der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen wurden speziell für den Agrar- und Lebensmittelsektor von den Globalen Nachhaltigkeitszielen abgeleitet.
„Die Leitlinien definieren vier Dimensionen der Nachhaltigkeit: „Ökologische Integrität“, „Ökonomische Resilienz“, „Soziales Wohlergehen“ und „Gute Unternehmensführung“, welche sich wiederum in 21 Themen (…) und insgesamt 58 Unterthemen untergliedern. Für jedes dieser Unterthemen wurden konkrete Zielvorgaben formuliert, anhand derer es möglich ist, Nachhaltigkeitsleistungen zu bewerten. Mit diesen international anerkannten Leitlinien existiert erstmals ein globaler Rahmen und eine einheitliche Sprache für standardisierte, transparente und vergleichbare Nachhaltigkeitsbewertungen im Agrar- und Lebensmittelsektor.“
www.fibl.org/de/themen/smart/smart-safa-leitlinien.html
Um die SAFA-Kriterien in der Nachhaltigkeitsbewertung von Biomare anwenden zu können, bewerteten wir sie in einem ersten Schritt nach ihrer inhaltlichen Relevanz und nach der Bedeutung speziell für Biomare. Im zweiten Schritt passten wir die SAFA-Kriterien für die Anwendung auf Biomare geringfügig an. Das heißt konkret:
a. Das SAFA-Kriterium “Abfall: Vermeidung und Entsorgung” haben wir in die zwei Kriterien “Abfall: Vermeidung” und “Abfall: Entsorgungsqualität” aufgeteilt.
b. Im Handlungsbereich Wirtschaftliche Stabilität unter dem Faktor „Krisenfestigkeit“ haben wir das Kriterium “Gesunde Eigenkapitalquote” ergänzt.
c. Im Handlungsbereich Soziales Wohlergehen unter dem Faktor „Kulturelle Vielfalt“ haben wir das Kriterium “Zahlung der regulären Steuerlast” ergänzt.
d. Im Handlungsbereich Soziales Wohlergehen unter dem Faktor „Angemessener Lebensunterhalt“ haben wir die Kriterien “Existenz- und Teilhabe-sichernde Entgelte” und “Verteilungsgerechtigkeit der Löhne” ergänzt.
Das ergibt insgesamt 62 Nachhaltigkeitskriterien, die bei Biomare Maßstab sind für unsere Entwicklung hin zum nachhaltigen Unternehmen. In unseren Nachhaltigkeitsblüten sind sie anschaulich dargestellt:
Und was ist mit Gemeinwohl?
Ein kritischer Vergleich: SAFA-Richtlinien versus Gemeinwohlbilanz
Es gibt eine Vielzahl von Ansätzen, mit denen das Ziel verfolgt wird, die Nachhaltigkeit von Unternehmen (, Kommunen etc.) zu ermitteln und transparent darzustellen.
Eine umfassende und konkrete Offenlegung unternehmerischer (, kommunaler etc.) Nachhaltigkeitsbemühungen dient einerseits dem Vergleich von Unternehmen (, Kommunen etc.) untereinander und damit dem gegenseitigen Ansporn für ein konsequent enkeltaugliches Wirtschaften.
Andererseits ist die Transparenz über die Nachhaltigkeitsleistungen speziell von Unternehmern auch eine wichtige Voraussetzung für verantwortliche Konsumentscheidungen seitens der VerbraucherInnen. Denn wenn Sie den Überblick darüber haben, was ein Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit wie genau besser macht als ein anderes, dann haben Sie beim Einkauf die bessere Wahl – weil Ihnen die für eine nachhaltige Kaufentscheidung relevanten Informationen vorliegen.
Auch bei Biomare wollen wir unsere Nachhaltigkeitsleistungen verbessern. In diesem Prozess haben wir uns für die SAFA-Richtlinien als Grundlage für unsere unternehmerische Nachhaltigkeitsbewertung entschieden, weil SAFA:
1. eine ganzheitliche Systematik mit einem vollständigen Set an nachhaltigkeitsrelevanten Aufgabenfeldern (58 Stück) zur Verfügung stellt.
2. Indikatoren bereitstellt, anhand derer die in den 58 Aufgabenfeldern erbrachten Nachhaltigkeitsleistungen messbar und damit vergleichbar gemacht werden.
3. als Bewertungssystem speziell für den Lebensmittel- und Landwirtschaftsbereich entwickelt wurde und auch auf andere (Wirtschafts)Bereiche übertragen werden kann. Dies ermöglicht eine breite Anwendung und unterstützt die Vergleichbarkeit.
Mit der Entscheidung für SAFA haben wir uns auch ganz bewusst gegen andere Ansätze der Nachhaltigkeitsbewertung entschieden, so etwa gegen die Gemeinwohlbilanzierung (GWB) der Bewegung „Gemeinwohl-Ökonomie“ (GWÖ). Im Folgenden erläutern wir, warum wir die GWB für unzureichend bzw. mangelhaft halten, wenn es darum geht, Nachhaltigkeitsleistungen und -entwicklungen von Unternehmen und anderen Akteuren konkret und ganzheitlich darzustellen:
Die Gemeinwohlbilanz kritisch betrachtet: Aus unserer Sicht
- …sind die Kriterien schwammig und Aussagen über erbrachte Leistungen nicht wirklich verifizierbar, weil keine entsprechenden Indikatoren bzw. Messgrößen definiert sind. Somit ist die Messbarkeit erbrachter Nachhaltigkeitsleistungen nicht gegeben. Damit verbunden fehlen messbare Zielgrößen (= Standards). Angesichts nicht definierter Messgrößen stellt sich im Umkehrschluss die Frage, ob denn nicht messbare Kriterien überhaupt sinnvoll sind, weil sie womöglich nur subjektiv bzw. eine emotionale Relevanz haben. Dadurch wird die GWB im Zweifelsfall zu einem Marketing- und Whitewashing-Werkzeug, das in der Regel in Management, Unternehmensstrategie, Produktions-Set und Produkt-Portfolio keine Änderungen einfordern kann, weil es keine Messbarkeit gibt.
→ Kritikpunkt: Fehlende Messbarkeit; fehlender Verbesserungsdruck
— - …hängt die Kriterienbewertung in der GWB ab von der subjektiven Darstellung des Managements und dessen Darstellung ggü. den Auditoren. Dadurch ist die GWB hochgradig anfällig für Manipulation, Confirmation bias, Tagesform und andere subjektive Faktoren, welche die Sichtweise und die Beeinflussbarkeit festlegen.
→ Kritik: Subjektiv beeinflusste Bewertung/Darstellung; Fehlende Objektivität
— - …legt der Kriterienkatalog der GWB einen zu großen Schwerpunkt auf den Bereich Soziales. Nachhaltigkeit jedoch beinhaltet die Bereiche Gute Regierungs- bzw. Unternehmensführung, Ökologie, Ökonomie und Soziales.
→ Kritikpunkt: Schwerpunktsetzung einseitig
— - …(mit dem vorhergehenden Punkt korrespondierend) sind die existentiellen Fragen der Menschheit und die in Deutschland und dem entwickelten Europa objektiv wichtigsten Probleme des Klima- und Artenschutzes in der GWB stark unterrepräsentiert.
→ Kritikpunkt: Schwerpunktsetzung missachtet real entscheidende Prioritäten
— - …lassen die GWB-Kriterien an vielen Stellen erkennen, dass ökonomische Zusammenhänge (also mathematische Gesetzmäßigkeiten) nicht bekannt sind oder abgelehnt werden. Ökonomische Gesetzmäßigkeiten auf der Basis fundierten Fachwissens müssen jedoch beachtet werden, damit letztlich die richtigen Einschätzungen in Sachen Nachhaltigkeit getroffen werden.
→ Kritikpunkt: Ökonomische Gesetzmäßigkeiten bleiben unberücksichtigt.
—
Fazit von Malte Reupert, Inhaber und Geschäftsführer von Biomare:
„Die Gemeinwohlbilanz ist aus meiner Sicht vor allem ein Instrument der Selbstvergewisserung. Das heißt: Menschen, die sich als „Die Guten“ fühlen, stellen sich innerhalb der eigenen Echokammer einen Schein aus, dass sie „die Guten“ sind. Wir brauchen jedoch „gutes Handeln“ oder besser „richtiges Handeln“ verantwortungsbewusster Menschen, Unternehmen etc.. Mit anderen Worten: Der Schein zu den Guten zu gehören bringt über eine subjektive Befriedigung hinaus wenig Veränderung – jedenfalls nicht in dem Tempo, wie es die existenzgefährdenden Phänomene dieser Zeit, also Klimawandel und Artensterben, erfordern. Um diese Veränderung auf den Weg zu bringen und sichtbar zu machen, brauchen wir objektive Kriterien, die messbar und durch fremde Dritte anhand der Datenlage nachvollziehbar sind. Wir müssen also weg von Wohlfühl-Worthülsen hin zu den konkreten Fakten“.
Zu diesen Fakten gehören u.a.:
- Die Klimalast eines Unternehmens und eines Produktes in kg CO2
- das Transformationsprogramm des Unternehmens, das jährlich auf seinen Umsetzungsstand geprüft wird
- der Flächenverbrauch in Quadratmeter je Wirtschaftsleistungseinheit
- die Biodiversitätsqualität von Betriebs- und Verkehrsflächen
- etc.
Mit Hilfe der SAFA-Systematik stellen wir die Nachhaltigkeit von Biomare anhand der diesbezüglich wesentlichen Parameter auf den Prüfstand – und ermutigen andere Akteure, ebenfalls die SAFA-Richtlinien als Grundlage für ihre eigene Nachhaltigkeitsbewertung zu nutzen.